
Doris Bianchi. (Yoshiko Kusano)
Verkehrte Welt: Die bürgerlichen Gegner von AHVplus, in der einen Hand immer noch die Schere, mit der sie der AHV über Sparprogramme etc. über 10 Mrd. Fr. abgeschnitten haben, spielen sich als Retter der AHV auf.
Die Demographie
Die AHV sei in Gefahr. Wegen der Demografie. Unablässig wiederholen dies die Mitglieder des Komitees. Wie zuvor eine ganze Generation selbsternannter Propheten, die Jahr für Jahr Lügen gestraft wurden. Sicher: die Demographie kostet etwas. Aber sie ist nur einer von mehreren Faktoren für die AHV-Finanzen. Wichtiger ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit: Mehr und höhere Löhne bringen mehr AHV-Einnahmen. Deshalb hat es die AHV geschafft, in den letzten 40 Jahren die Anzahl der ausbezahlten – und erst noch erhöhten! – Renten zu verdoppeln. Ohne Erhöhung der Lohnprozente! Nur einmal kam ein Mehrwertsteuerprozent dazu. Für die Renten der Babyboomer braucht es nun vorübergehend ein zweites Mehrwertsteuerprozent. Das ist verkraftbar.
Die Bedürftigen
Behauptung Nr. 2: die Bedürftigen würden nicht von AHVplus profitieren. Welche Pirouette! Sie, die Mitglieder des Komitees, wollen nun heute die Interessen der Alleinerziehenden, der jungen Familien und der Armutsbetroffenen vertreten. Sie, die gestern erst Prämienverbilligungen, Sozialhilfeleistungen und Stipendien gekürzt haben. Und morgen wollen sie, die sich nun um die Ergänzungsleistungs-Bezüger sorgen, genau diese EL drastisch zusammenstreichen. Was sie „vergessen“: Auch die rund 200‘000 EL-Bezüger/innen erhalten dank AHVplus eine höhere Altersrente. Und das Parlament hat bei früheren AHV-Erhöhungen jeweils eine Besitzstandgarantie beschlossen…
Die Schweigsamen
Und was sagen die Mitglieder des Komitees dazu, dass die Pensionskassenrenten der künftigen Rentner/innen laufend tauchen? – Sie schweigen in allen Sprachen dazu. AHVplus kompensiert diese Verluste mit einer Erhöhung der AHV-Renten um 10 Prozent. Wir verschweigen es nicht: Dazu braucht es eine bescheidene Erhöhung der Lohnbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern um je 0,4%. Das ist viel günstiger als in der zweiten Säule, wo Beitragserhöhungen von 1 bis 3% an der Tagesordnung sind – und die Renten trotzdem sinken. Aber auch da schweigen die AHVplus-Gegner.
Doris Bianchi, Stv. Sekretariatsleiterin SGB und Expertin Sozialversicherungen
Sehr geehrte Frau Bianchi,
Vielen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz! Die Aufklärungsarbeit finde ich unabdingbar. Was ich vermisse in der Debatte 2020 (2. Säule) ist im grunde, die Tatsache, dass im 2010 das Schweizer Volk sich gegen eine Reduzierung des Umwandlungssatzes (im obligatorischen Teil) ausgesprochen hat. Wie lässt sich somit erklären das ohne jegliche gültige und damit allgemeine Rechtssprechung unter Vorwegnahme der noch gar nicht in kraft getretene Altersreform 2020 der Umwandlungssatz bereits seit 2013 von der „Branche“ gekürzt wurde und noch weitere Kürzungen für das Jahr 2017 angekündigt worden sind. Es ist nicht von der Hand zu weisen, das dadurch Fakten geschaffen werden, in welchen der Umkehrschluss nicht gilt! Diese Trennung zwischen obligatorischen und überobligatorischen Teil ist ein Anachronismus, welches der Branche zu Gute kommt.
Ein Umwandlungssatz berechnet sich aus verschiedenen Wahrscheinlichkeiten. Diese Wahrscheinlichkeiten werden aber in der Branche nicht einheitlich eingestuft. Dabei werden u.a. Statistiken und Zinsen als Bemessungsgrundlage herangezogen. Eine Senkung hat deshalb auch Auswirkungen auf den Teil der zweiten Säule, welcher die erste Säule in den Bereichen krankheitsbedingter Invalidität und Tod ergänzt. Dass damit zum Teil rückwirkend in gesetzlich garantierte Leistungen eingegriffen werden kann, ist ein Beweis dafür, dass keine Rechtssicherheit mehr besteht. Ein klares JA zu AHV-Plus ist überlebenswichtig; dennoch müssen diese offensichtliche unilateralen Rechtsbrüche endlich in der öffentlichen Diskussion ausgesprochen werden.
Herzliche Grüsse
@Arbeitgeber (KMU) und AHV Rentner: Die Abstimmung zum Umwandlungssatz betraf, wie Sie richtig festhalten, leider nur den obligatorischen Teil der zweiten Säule. So ist es den Pensionskassen möglich, über extrem tiefe Umwandlungssätze im überobligatorischen Teil de fakto den gesamten Umwandlungssatz zu senken. Eine Aufhebung der Trennung zwischen obligatorischem und überobligatorischem Teil scheint im Moment kaum durchsetzbar zu sein …
Hallo Doris
Deine Zeilen sind Balsam auf meine wunde Seele. Wir leben diese Tage vor der Abstimmung von der Hoffnung. Es ist irgendwie wie bei einem Tennismatch am TV. „Fedi“ hat den 1. Satz gewonnen, den Zweiten aber im Tiebreak verloren. Und nun hoffen alle, dass er sich im 3. wieder aufrafft un das Match nach Hause bringt.
Die Tamedia-Umfragen waren erfreulich positiv vor einem Monat. Und seither schaffen die Medien mit ihren einseitigen Berichten auf ein Umdenken in der Bevölkerung hin. Ich war letzten Samstag mit euch allen zusammen an der Kundgebung in Bern und habe fast nur französisch und italienisch sprechende Kolleginnen und Kollegen gehört.
Ich erwähnte meine wunde Seele… Es tut weh, zu erleben, wie desinteressiert die Deutschschweizer mit dem Thema AHVplus umgehen! Erstaunt stellte ich fest, dass auch nur wenige deutschschweizer Rentnerinnen und Rentner den Weg nach Bern auf sich nahmen.
Um es noch einmal mit dem Sport zu vergleichen: „hebet euch am Bänkli, d’Düütschschwiizer machet euch jetzt denn es Gschenkli!!“
Es gilt Alarmstufe rot! Wir brauchen jetzt unbedingt überzeugende Berichte in den Medien. Die Leute müssen wissen, was ihnen blüht, wenn das Parlament die Altersvorsorge 2020 durchgekaut und ausgespuckt hat. Es darf nicht zu einen Röstigraben geben bei der AHV!
Darum liebe Doris bitte ich Dich, alle verbleibenden Kräfte auf die deutschsprachigen Schweizermedien zu bündeln. Denn um die Romands und Tessiner mache ich mir keine Sorgen. Auf sie ist Verlass.
Einen herzlichen Dank für all Dein Schaffen.
Es grüsst Ueli, ein ganz gewöhnlicher Buschauffeur aus Thun
Lieber Herr Müller-Hinni,
Ihre Worte sind ein Weckruf eines aufgeräumten Denkers. Ich wünschte es gäbe viele Menschen wie Sie. Danke. Wir Deutschschweitzer sind eine ethnische Gruppe die keine Identität mehr hat – im Sinne einer gesellschaftlichen Zugehörigkeit. Egoismus und Individualismus haben aus uns eine ziellos galoppierende Herde gemacht. Das grösste aller Probleme ist jedoch die pathologische Apathie in welcher viele Deutschweitzer ihr Dasein fristen. Das ist fatal…einige sagen es sei der Wohlstand…andere, es sei eine genetische Prädisposition…wer weiss…dennoch, lässt diese Entwicklung in einem Land wo 53% des Vermögens sich in den Händen von 2% befindet, (Quelle: OECD), nichts Gutes für die Zukunft verraten. Eine Chance wie AHVPLUS wird es in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr geben. Nachdem das bedingungslose Einkommen abgelehnt wurde – und die Zerschlagung der Sozialwerke vor unseren Augen abspielt – ist der nächste Wahl-Sonntag ein historischer Tag für unser Land.